Jose hat geschrieben:
In einem Buch über Calvin habe ich gelesen, dass er sich wunderte, dass in einem Gottesdienst, unter der gleichen Verkündigung, die einen zum Glauben kamen und andere nicht. Das bestätigte ihm in seinen Überlegungen zur Prädestinationslehre.
Dann bleiben wir beim Thema: „Calvin und die Lehre von der Prädestination“.
Das obige Zitat kann man natürlich jetzt so verstehen, als ob Calvin aufgrund eigenartiger Erfahrungen und Beobachtungen zur Lehre von der Prädestination gekommen sei.
Stellen sich folgende Fragen: Ist die Prädestinationslehre, die Calvin formulierte die Reaktion auf Beobachtungen, die er machte? Um was ging es Calvin eigentlich?
Dazu möchte ich exemplarisch aus zwei seiner Briefe zitieren:
Quelle:
http://www.glaubensstimme.de/doku.php?i ... lf_schwarz
Jean Calvin - An Christophe Fabri in Neuchatel
Nr. 328 - Verteidigung der Prädestinationslehre.
„ … Denn, wenn wir nicht bekennen, dass, wer zu Christo kommt, vom Vater gezogen ist [Joh. 6, 44], und dass das die besondere Wirksamkeit des heiligen Geistes an den Erwählten ist, so müssen entweder alle ohne Unterschied erwählt sein, oder es muss die Ursache der Erwählung in jedes einzelnen Verdienst liegen. Wenn der Anfang der Verwerfung erst in den [auf die Berufung] folgenden Trotz des Menschen gesetzt wird, so folgt daraus, dass bei Gott nichts fest beschlossen ist, sondern dass sein Ratschluss über die einzelnen unbestimmt ist.
Bolsec bekennt, dass alle Menschen von Natur verdorben seien, dass aber Gottes Gnade allen angeboten wird, zur Besserung der angeborenen Verderbtheit. Nun behauptet er, einzelne ließen auf Antrieb ihres freien Willens diese Besserung zu, wodurch sie wirksam werde, andere aber wiesen sie in der gleichen Freiheit ab und würden dadurch doppelt verstockt, und daraus leitet er dann seine erfundene Verwerfung ab. Wer sieht nicht, dass Gottes Ratschluss dem menschlichen Willen untergeordnet wird? Ich weiß nicht, welche Feinheit du in solcher Geschmacklosigkeit zu sehen meinst. Wenn ich etwas von göttlichen Dingen verstehe, so ist das törichter und plumper erfunden, als was die Papisten sagen.
Wenn die Frucht der Erwählung ein guter, rechter Wille im Menschen ist, so folgt doch daraus, dass die Verworfenen mit aller Herzensleidenschaft zum Bösen getrieben werden. Auch Paulus, wenn er sagt: es liegt nicht an jemandes Wollen [Römer 9, 16], schreibt den Verworfenen keinen Willen zu, der an sich unwirksam wäre, sondern er lehrt, es fließe ganz aus Gottes Barmherzigkeit, dass die anfangen, das Gute zu wollen und recht zu wandeln, die vorher aller Rechtschaffenheit bar waren.
Man höre doch also auf, den Quell und die erste Ursache der Scheidung in Erwählte und Verworfene im menschlichen Willen anzunehmen, wenn man Gottes Wahl noch irgendwelchen Raum geben will. - - -“
Es geht um den Ratschluss Gottes und die Abweisung der Vorstellung: der Ratschluss Gottes könne dem menschlichen Willen untergeordnet sein.
Eigentlich ist es die Frage nach der Allmacht Gottes, nach der Treue Gottes zu dem, was Er gesagt hat. Kann Gott halten, was er verspricht? Ist Gottes Ratschluss durch Menschen vereitelbar? Sagt Gottes Wort etwas darüber aus?
Jean Calvin - An Melanchthon in Wittenberg.
Nr. 349 - Über Einigkeit in der Lehre im Allgemeinen und der Prädestinationslehre im Besonderen.
„…Mir verbietet es aber, ums ehrlich zu gestehen, mein Gewissen, dir in diesem Teil der Lehre zuzustimmen, weil mir scheint, vom freien Willen lehrest du zu sehr nach Philosophenart, und bei der Behandlung der Gnadenwahl habest du dir nichts anderes vorgenommen, als dich der allgemeinen Auffassung der Menschen anzupassen. Einem bloßen Versehen kann mans doch wohl nicht zuschreiben, dass du, scharfsinniger, kluger und in der Schrift wohl erfahrener Mann, die Gnadenwahl Gottes mit den Verheißungen, die allen gelten, verwechselst!
Denn es ist doch nichts bekannter, als dass die Predigt des Wortes allen ohne Unterschied gemeinsam gilt, der Geist des Glaubens aber den Auserwählten allein als besonderes Vorrecht geschenkt wird. Allgemein gültig sind die Verheißungen. Woher kommts dann also, dass nicht bei allen ihre Wirkung gleich stark ist? Nur, weil Gott nicht allen seines Armes Macht offenbart.
Auch bei nur mittelmäßig in der Schrift bewanderten Leuten braucht das ja gar keine weitere Verhandlung, dass zwar die Verheißungen allen die Gnade Christi anbieten und durch die äußere Verkündigung Gott einen jeden zur Seligkeit einladet, der Glaube aber eine besondere Gabe ist. Ich glaube, diese ganze Frage, so schwierig und stachelig sie ist, in einem vor kurzem veröffentlichten Buche einleuchtend erläutert zu haben. Da die Sache so klar liegt, so wirst du keinen vernünftig urteilenden Menschen davon überzeugen, dass du wirklich von Herzen etwas ganz anderes lehrst. …“
Worum ging es Calvin hier?
Es ging ihm darum das Philosophieren über einen „freien Willen“ des Menschen und die Anpassung an Menschenmeinungen abzuweisen.
Mit anderen Worten: nicht die Erfahrung, nicht die menschlichen Gedankenspielereien erklären die Schrift.
Was ist Grundlage?
Die Schrift ist Grundlage und selbst „mittelmäßig in der Schrift bewanderte Leute“ erkennen klar, dass der Glaube eine „besondere Gabe“ Gottes ist. Es ist keine Illusion anhand der Schrift zu klaren Aussagen zu kommen.
Lutz