Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum?

Aktuelle Entwicklungen und Vorkommnisse in der Christenheit

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Joschie
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Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum?

Beitrag von Joschie »

Hallo Ihr
Ich habe bei www.theoblog.de einen interessanten Beitrag gefunden.Dieser hat den Titel "Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum"?, der Autor ist Michael S.Horton, er besteht aus 4 Teile.Diese werde ich alle in den nächsten Tagen reinsetzen.Ich bedanke mich bei Ron Kubsch, das ich den Beitrage nutzen darf.

Horton: Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum?Teil1

Ich werde:Michael S. Horton: »Missional Church or New Monasticism«, Modern Reformation, Vol. 20, No. 2, March/April 2011, S. 14–21
in vier Teilen ohne Quellenangaben publizieren. Nach Veröffentlichung des letzten Teils werde ich auch eine PDF-Datei mit dem gesamten Text und den Literaturangaben anbieten. Ich bedanke mich bei Michael S. Horton, Modern Reformation und Ivo Carobbio!

Das neue Mönchtum

Einige von uns erinnern sich an den Song von Tears for Fears: »Everybody Wants to Rule the World« [zu deutsch: »Jeder will die Welt beherrschen«]. Heute heißt das Mantra eher »Veränderung«, nicht »Herrschaft«. Viele jüngere Christen haben genug vom geistlichen Konsumismus und von Evangelisationseinsätzen mit dem Aufruf: »Lass Jesus in dein Herz, damit du nach dem Tod in den Himmel kommst.« Das Christentum muss doch mehr sein als nur »Seelenheil«, oder? Was verbirgt sich denn hinter der Phrase »Auferstehung des Leibes und ewiges Leben«? Geht es da nicht um eine neue Schöpfung? Singen wir nicht: »Joy to the World«, ja, erwarten wir nicht, dass sich das Reich Christi erstreckt, »so weit der Fluch reicht«?

Man wird dennoch fragen dürfen: »Ist dieses neuentdeckte Interesse an einer erlösten Schöpfung nicht von einem Paradigma motiviert, das sich eher dem Mönchtum verdankt als der weltbejahenden Frömmigkeit der Reformationszeit?

Das mittelalterliche Mönchtum war geteilt: Da waren jene, die das kontemplative Leben schätzten (spiritueller Aufstieg zum Himmel durch meditative Übungen). Dann waren da noch die anderen, die dem aktiven Leben den Vorzug gaben (spiritueller Aufstieg durch gute Werke, insbesondere für die Armen). Franz von Assisi – und später der nach ihm benannte Orden – betonte die »vita activa«.

Wir erleben heute erstens eine Wiedergeburt der kontemplativen Spiritualität. Traditionell evangelikal, legt sie die Betonung auf die »persönliche Frömmigkeit«: Jüngerschaft als innere Veränderung durch geistliche Übung. Richard Fosters »Nachfolge feiern – Geistliche Übungen neu entdeckt« (1979) hat vielen Christen die mittelalterliche Mystik und einige Schriftsteller der »vita contemplativa« zugänglich gemacht. Dallas Willard hat den Aufruf zur Jüngerschaft in seinen beiden Büchern The Divine Conspiracy (1998) und The Great Omission: Reclaiming Jesus’ Essential Teachings on Discipleship (2006) wiederholt: Es geht um die innere Veränderung durch geistliche Übung.

Willard fordert Pastoren auf, sich zu fragen: »Besteht mein wichtigstes Ziel wirklich darin, Jünger zu machen? Oder sorge ich bloß für eine ‚reibungslosen Ablauf‘?« Kenntnisreich urteilt Willard, die Jüngerschaft habe ihre spezifische Prägung:

Die theologische Rechte sieht in der Jüngerschaft die Vorbereitung zur Rettung von Menschenseelen. Diese Vorbereitung steht heute allerdings eher unter der Leitung parakirchlicher Bestrebungen, da die örtlichen Gemeinden sich nicht wirklich darum gekümmert haben. Die Linken sehen in der Jüngerschaft eher so etwas wie soziales Engagement, von der Ausspeisung sozial Benachteiligter bis hin zu politischen Protesten oder ähnlichen Tätigkeiten. Was solide psychologische oder biblische Inhalte betrifft, hat der Begriff »Jüngerschaft« alle Bedeutung verloren.

Sei es nun in Form soteriologischer Bestrebungen oder in Form sozialen Engagements – die Christen seien zu »aktivistisch«. Was sie wirklich bräuchten, sei innere Veränderung durch geistliche Übungen, besonders durch »Abgeschiedenheit, Schweigen und Fasten«. Das, so Willard, seien die »Schlüssel des Reiches Gottes«. Er schreibt: »Ich habe noch niemanden getroffen, der regelmäßig Gebrauch dieser geistlichen Übungen macht – wie sie übrigens jeder kennt, der mit dem Inhalt des Neuen Testaments vertraut ist – und dabei geistlich abgekühlt, ratlos, bekümmert oder gescheitert wäre.«

Nach der Disziplin gefragt, die derzeit am stärksten geübt werden sollte, lautet Fosters Antwort: »Die Abgeschiedenheit«:

Die Abgeschiedenheit verkörpert die grundlegendste Disziplin des Verzichts – die »via negativa«. Das christliche Bestreben nach Engagement in der Welt ist löblich, aber wie Thomas von Kempten sagt: Sicher reist nur, wer auch zu Hause bleiben kann. Und Pascal sagte, wir könnten die Probleme der Welt nur lösen, wenn wir gelernt hätten, allein zu bleiben. Abgeschiedenheit ist für ein rechtes Engagement unabdingbar.

Zweitens ist innerhalb der Christenheit heute eine stärkere Betonung auf das »franziskanische Moment« (vita activa) echter Jüngerschaft als gesellschaftlicher Wandlung spürbar, insbesondere da, wo man sich um die Benachteiligten kümmert. Zwar werden geistliche Übung und innere Veränderungen nicht völlig ignoriert; viele Verfechter dieser Lebensart – ganz besonders in der Emerging Church-Bewegung – anerkennen den Ein­fluss von Autoren wie Foster und Willard. Doch die Gebets­labyrinthe, Gesänge, Kelten­kreuze, Kerzen und »Aufzeichnungen« dienen letztlich allesamt mehr der Schaffung von Gemeinschaft, als dass sie die Abgeschiedenheit förderten; sie drängen die Gemeinschaft zum Zeugnis durch den Dienst. Die Leiter dieser Richtung zitieren gerne jenen Satz, der Franz von Assisi zugeschrieben wird: »Predige stets das Evangelium; wenn nötig, auch mit Worten.«

In diesen zwei Formen der mönchischen Frömmigkeit sind bei aller Verschiedenheit die Gemeinsamkeiten heute genauso erkennbar wie einst.



Nachtrag vom 24.03.2011: Ursprünglich lautete der Titel dieser Reihe »Missionarische Gemeinde oder neues Mönchtum«. Nach einer kleinen Diskussion über den Begriff »missional« habe ich mich entschieden, den Titel leicht zu ändern. Der Begriff »missional« soll ein Missionsverständnis etablieren, das sich nicht nur darauf konzentriert, »Menschen für den Himmel« zu gewinnen und in Gemeinden zu sammeln, sondern Christen ganzheitlich für Teilhabe und Mitgestaltung dieser Welt zurüstet. Eine missionale Gemeinde bestärkt Christen, in Familie, Berufswelt und Freizeit eine »natürliche« missionarische und prägende Ausstrahlung zu entwickeln.


Quelle: hier
Gruß und Segen von Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Joschie
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Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum? (Teil 2)

Beitrag von Joschie »

Horton: Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum? (Teil 2)

»Lebe das Evangelium« oder »Predige das Evangelium«?

Sowohl die Autoren der »vita contemplativa« (die Vertreter der »geistlichen Übungen«) wie auch die Autoren der »vita activa« (die »Emergenten«) neigen dazu, die Gebote und Verheißungen, die Indikative und die Imperative zu verwischen und zu vermischen. Es besteht eine starke Tendenz, das Evangelium eher in unserer Aktivität verwirklicht zu sehen als in dem, was Gott in Jesus Christus für uns – und für die Welt – getan hat. Wir sind bestrebt, eher christliche »Aktivisten« zu sein als Nutznießer und Zeugen des Versöhnungswerks Gottes; wir wollen sein Reich mehr durch unsere eigenen Bemühungen bauen als ein Reich zu empfangen, das sich durch Predigt und Sakrament ausbreitet.

Willard schlägt seine eigene Übersetzung (oder besser: eine ziemlich lockere Umschreibung) des Missionsbefehls vor: »Ich habe jetzt das Sagen über alle Dinge im Himmel und auf Erden. Wenn ihr nun loszieht, dann macht aus allerlei Völkern Jünger. Taucht sie in die Gegenwart der Dreieinigkeit und lehrt sie alles so zu machen, wie ich es euch befohlen habe. Denkt daran: Ich bin jederzeit bei euch, bis ihr eure Aufgabe erfüllt habt« (meine Hervorhebung).« Willard sieht das eigentliche Problem in der Überbetonung von Gnade und Rechtfertigung: »Wenn wir nun eines erkennen müssen, dann dies: Ein Evangelium der Rechtfertigung allein macht noch keinen wiedergeborenen Jünger.«

Willard ist der Ansicht, die zentrale Botschaft des Evangeliums richte sich auf die innere Erneuerung und Verwandlung unseres Charakters durch »sorgfältig ausgearbeitete und gnadengetragene Übungen«. Der Geist verändert uns nicht so sehr durch das Evangelium, sondern vielmehr durch unsere eigene Entschlossenheit und Bemühung: »Was uns wirklich verändert, ist unser Entschluss, Jesus Christus zu gehorchen, und zwar durch ein tägliches Leben in Einheit mit der Wirklichkeit seiner Auferstehung; wir lernen den Gehorsam durch innere Umgestaltung.« »Jesus sucht nach Leuten, auf die er sich ganz verlassen kann.«

Ähnlich beklagt auch Foster, die Betonung auf der Gnade Gottes lähme das Streben nach innerer Umgestaltung. Wo die Bibel lehrt, das wichtigste, wirklichste und anhaltendste Werk sei Christi geschichtliches Werk zu unserem Heil, da schreibt Foster:

Das wichtigste, wirklichste und anhaltendste Werk wird in den Tiefen unseres Herzens vollbracht. Dieses Werk geschieht in der Abgeschiedenheit unseres Inneren … Es ist das Werk der Herzensreinheit, der Bekehrung, der innerlichen Umgestaltung oder Lebensgestaltung … Es ist viel Gestaltungsarbeit vonnöten, bevor wir dem himmlischen Feuer standhalten können. Bevor wir getrost und unbeschwert mit Gott herrschen können, braucht es noch jede Menge Selbstdisziplinierung.

Legt die Emerging Church-Bewegung auch großen Wert auf gemeinschaftliche Veränderung der Gesellschaft, misst sie der mittelalterlichen Betonung auf Taten statt Glaubensbekenntnissen noch mehr Gewicht bei – ganz wie die Wiedertäufer und der Pietismus. Brian McLaren erklärt: »Die Wiedertäufer verstanden den christlichen Glauben hauptsächlich als Lebensart.« Dabei konzentrieren sie sich stärker auf die Bergpredigt als auf die paulinischen Lehren von der persönlichen Errettung. Die Vervollständigung des Erlösungswerks Christi durch gesellschaftliche Veränderung ist jetzt wichtiger als die Verkündigung des vollendeten Werks Christi, d. h. die Versöhnung von Sündern mit dem Vater. Tony Jones, ein anderer Leiter der Bewegung, berichtet: »In einer ›emergenten Gemeinde‹ hören Sie Aussagen wie diese: ›Unsere Berufung als Gemeinde ist eine Berufung zur Partnerschaft mit Gott. Bei seinem Werk in der Welt sind wir seine Partner; beim Aufbau des Reiches Gottes arbeiten wir mit ihm zusammen.‹« Um eventuellen Einwänden aus dem Lager der Reformierten gleich zuvorzukommen, fügt er hinzu: »Dieser Aussage liegen viele theologische Überlegungen zugrunde«, obgleich »der Gedanke, dass Menschen mit Gott ,zusammenarbeiten‘ können, insbesondere konservative Calvinisten ärgern wird, die die menschliche Fähigkeit zur Teilnahme an Gottes Werk im allgemeinen leugnen.«

McLaren zufolge bedeutet »missional«, Buddhisten, Moslems und Juden zu ermutigen, bessere Buddhisten, Moslems und Juden zu sein und so dem Beispiel Jesu zu folgen. Nicht unsere Verkündigung, unser Leben verändere die Welt. McLaren schreibt: »Jesus ist der Erlöser – das bedeutet, dass sich Gott in Jesus als Retter auf all diesen Wegen einsetzt. Er richtet (nennt das Böse beim Namen), vergibt (durchbricht den Teufelskreis von Ursache und Wirkung und ermöglicht damit die Versöhnung) und lehrt (demonstriert, wie man die Kettenreaktion des Guten in Gang bringt).« Dass der Zorn Gottes Christus traf statt uns, davon ist keine Rede, und auch von den Auswirkungen des Kreuzes auf unsere vertikale Beziehung mit Gott wird nichts gesagt. »Da wir so häufig unwissentlich falsch und daneben liegen, begegnet uns Jesus mit seiner rettenden, tiefgründigen aber doch so erstaunlich knappen Aussage: Liebe Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft, sagt er, und liebe deinen Nächsten wie dich selbst – das ist genug!« Genau das sei unter der Aussage »Jesus rettet die Welt« zu verstehen. Was Jesus den Inbegriff des Gesetzes genannt hat (Mt 22,37–40; vgl. 5Mo 6,5), nennt McLaren den Inbegriff des Evangeliums.

Erstens ist der Ausdruck »das Evangelium leben« ein Kategorienfehler. Das Evangelium ist per definitionem »Frohe Botschaft« (von griech. eu-angelium). Eine Botschaft kann man nicht »leben« oder »tun«; tun kann man nur das Gesetz; das Evangelium muss vernommen bzw. gehört werden.

Zweitens besteht der spezifische Inhalt dieser frohen Botschaft in der Vergebung der Sünden durch den Glauben an das rettende Leben, den Tod und die Auferstehung Christi. Wir sind Nutznießer, nicht aktive Teilnehmer. Die Heilige Schrift fordert uns freilich zu einem Leben im Hinblick auf die Barmherzigkeit Gottes auf; wir sollen uns des Evangeliums würdig erweisen, das wir verkünden usf. Es repräsentiert jedoch unser Leben und unsere guten Werke als Früchte des Glaubens durch das Evangelium und ist damit nicht Teil des Evangeliums selbst.

Drittens lehrt die Schrift wiederholt, dass der Glaube durch die Verkündigung des Evangeliums kommt und nicht durch gute Werke. Christus wurde nicht festgenommen und angeklagt, weil er familiäre Werte wiederherzustellen suchte oder die Armen speiste. Selbst seine Aufsehen erregenden Wunder erregten an sich kein Ärgernis, es sei denn, sie bekräftigten sein Selbstzeugnis. Der Zorn der religiösen Führer steigerte sich dort, wo Jesus sich Gott gleich machte (Joh 5,18) und unter Umgehung des Tempels und des Opfersystems geradewegs Sünden vergab (Mk 2,7). Der jüdische Rat klagte ihn an, er habe die Zerstörung des Tempels vorausgesagt. Als der Hohepriester ihn fragte: »Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?«, da antwortete Jesus: »Ich bin’s. Und ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels!« Da »zerriss der Hohepriester seine Kleider und sagte: Was brauchen wir weitere Zeugen? Ihr habt die Lästerung gehört. Was meint ihr? Und sie fällten alle das Urteil, dass er des Todes schuldig sei« (Mk 14,53–64).

Jesus wurde nicht angeklagt, weil er versuchte, der Welt den Frieden zu bringen. Es war genau umgekehrt (Mt 10,34–37). Die Gegner Jesu fügten der Anklageschrift gegen ihn nicht den Vorwurf revolutionärer Weltverbesserungsambitionen hinzu. Wer in Jesus den Anführer einer politischen Revolution erblickte, für den war Jesu Mission der totale Misserfolg. Er wird in Herrlichkeit wiederkommen, zu richten, zu erlösen und alle Dinge neu zu machen. Er wird kommen, um ein weltumspannendes Reich der Gerechtigkeit und des Segens aufrichten. Die Zeit zwischen den beiden Adventen jedoch gilt der Umkehr und dem Glauben.

Auch die Nachfolger Jesu wurden vor den jüdischen und römischen Tribunalen nicht wegen der Gründung sinnvoller Gemeinschaften angeklagt oder weil sie »das Evangelium lebten«. Sie wurden verfolgt, weil sie das Evangelium verkündeten. In einem Brief an den Kaiser Trajan (ca. 112 n. Chr.) kommt Plinius, der Statthalter Bithyniens (nördliche Türkei) auf die einzelnen Aspekte ihrer staatsfeindlichen Religion zu sprechen:

1) Die Christen singen während ihrer Gottesverehrung Lieder über Jesus; 2) sie beten »durch« Jesus und »in Jesu Namen« zu Gott und richten ihre Gebete sogar direkt an Jesus; sie rufen ihn in ihren Versammlungen gemeinsam an; 3) die »Anrufung des Namens Jesu« geschieht besonders bei Taufen, Heilungen und Teufelsaustreibungen; 4) das gemeinsame Mahl gilt ihnen als heilige Mahlzeit, bei der der auferstandene Jesus als »Herr« unter ihnen weilt; 5) rituelles »Bekenntnis« zu Jesus während der Versammlungen und 6) christliche Prophezeiungen als Orakelsprüche des auferstandenen Jesus; der Heilige Geist der Prophezeiungen wird auch als Geist Jesu verstanden.

Plinius machte sich Sorgen über die schnelle Verbreitung des christlichen Glaubens. Die heidnischen Tempel waren »beinahe menschenleer«. Darunter hatte der enorme wirtschaftliche Handel der verschiedenen Kulte und Opferwesen zu leiden. Was Plinius jedoch am meisten ärgerte, war die Widerspenstigkeit dieser »Kriminellen«: Um frei auszugehen, hätten sie nur Jesus fluchen und dem Kaiser Weihrauch darbringen müssen. Das aber lehnten sie ab, selbst wenn sie dafür hingerichtet wurden.

Im Neuen Testament heißt es, die Gläubigen litten insbesondere »um meinetwillen und um meines Namens Willen« (Mt 10,18.22; vgl Apg 3,17.18; 5,40; 6,8–8,1; 9,14.21; 26,9.11; 2Kor 11,22–29). Der Vorwurf der Gotteslästerung verrät nicht nur den zentralen Anklagepunkt ihrer Gegner, sondern auch die fundamentale Überzeugung der frühesten Christen: Jesus Christus ist Gott und damit der einzige Erlöser. Die Römer bezichtigten die frühen Christen des Atheismus und der Zersetzung der Staatsreligion, da sie die Teilnahme am Kaiserkult verweigerten. Der römische Senator und Historiker Tacitus berichtet, eine »ungeheure Menge« an offenkundigen Christen seien wegen ihres »Hasses auf die Menschheit« eingekerkert worden. Diese Märtyrer jedoch nutzten ihren Prozess als Gelegenheit, das Evangelium zu verkündigen, darzulegen und zu verteidigen (vgl. zusätzlich zu den vielen Beispielen in der Apostelgeschichte 1Petr. 3,15–16).

Das Gesetz sagt uns, was Gott von uns verlangt; das Evangelium sagt uns, was Gott für uns getan hat. Genau deshalb, weil sich das Evangelium nicht um uns dreht, sondern für uns ist, stiftet es auch eine Art von Gemeinschaft, deren Verbundenheit viel enger ist als die natürlicher Verwandtschaften; ihr Wirkungskreis erstreckt sich weit über den Wirkungskreis vereinzelter »Hilfsprojekte« hinaus. Das Evangelium besteht in der Verkündigung, dass da jemand bereits ein vollkommenes Leben für uns gelegt hat, es für uns hingegeben hat, um es als Erstlingsfrucht der neuen Schöpfung wieder an sich zu nehmen. Wenn wir diese gute Nachricht glauben, dann bringen wir uns selbst nicht als Sühneopfer dar, sondern geben uns hin als »lebendige Opfer«, als »Dankopfer«. So verbreiten wir den »Duft Christi« (2Kor 2,15). Wir leben im Gehorsam »im Hinblick auf Gottes Barmherzigkeit« (Röm 12,1–2).

Der Generalauftrag des Missionsbefehles besteht in der »Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen«. »Demnach kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort« (Röm 10,17). Der Glaube kommt in der Liebe und in guten Werken zum Ausdruck, entstammt ihnen jedoch nicht. Petrus sagt, wir seien »wiedergeboren … durch das lebendige und in Ewigkeit bleibende Wort Gottes … Das ist aber das Wort, welches euch als Evangelium verkündigt worden ist« (1Petr 1,23.25). Mit unserem Leben können wir Menschen für das Evangelium gewinnen oder sie abstoßen. Dan Kimball hat schlicht unrecht, wenn er (genau wie Jones) den Rat Franz von Assisis zur wortlosen Verkündigung des Evangeliums beschwört: »Unser Leben ist eine bessere Predigt als alles, was wir sagen können.«

Wenn wir uns weniger um sozialen und moralischen Einfluss auf die Gesellschaft bemühen (was wir auch ohne Christus können), sondern Christus selbst suchen, dann geschieht etwas sehr Eigenartiges: Es entsteht eine Gemeinschaft mit dem »Lamm«, die sich aus Menschen aus »allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen« zusammensetzt, um »ein Volk von Königen und Priestern für unseren Gott« zu sein (Offb 5,9–10). Aus einer in Christus gerechtfertigten und durch Christus geheiligten Gemeinschaft entsteht der Vorgeschmack echten Friedens, echter Liebe und Gerechtigkeit. An diesen Dingen können wir unser Leben ausrichten; davon können wir auch unsere weltlichen Berufungen anregen lassen. Der Missionsbefehl ist ein ganz bestimmter Auftrag mit mannigfaltigen Auswirkungen.

Das Hauptaugenmerk der Gemeinde in der Verkündigung der Tatsache zu sehen, dass Gott die Sünden der Welt vergibt, hat nichts mit einer platonischen Trennung von Seele und Leib zu tun: Viele von uns sind in Gemeinden aufgewachsen, die sich ganz der »Seelenrettung« verschrieben haben, statt zur »Rettung der Welt« beizutragen. Die »Emergenten« haben recht, wenn sie uns auf den größeren Horizont der heilsgeschichtlichen Absichten Gottes hinweisen. Die Reformierte Theologie hat sich jedoch immer schon um eine ganz andere Frömmigkeit bemüht als die allseits bekannten Endzeit-Szenarien. Christus hat die Welt schon erlöst – und damit den Segen sichergestellt, »so weit der Fluch reicht«. Sein Reich wird aber erst bei seiner Wiederkunft vollendet; einstweilen ist es aufgerichtet und wächst durch die Verkündigung der Vergebung, der Rechtfertigung und der erneuernden Gnade bis an die Enden der Erde.

Die beiden Theologien der Emerging Church-Bewegung teilen hier unangenehme Ähnlichkeiten in Bezug auf das »Wohlstandsevangelium«. Beide erwarten zurecht Christi universelle und segensreiche Herrschaft in Frieden, Gerechtigkeit und Liebe jenseits von Sünde, Tod und Kummer. Gott sorgt für den Leib genauso wie für die Seele. Beide Richtungen handeln jedoch überstürzt, wenn sie meinen, sie könnten die Vollendung des Reiches durch eigene Anstrengung herbeiführen.

Selbstverständlich können wir uns auch in diesem vergänglichen, bösen Zeitalter verbessern; es bleibt allerdings »dieses böse Zeitalter«, und man darf es nicht mit der Vollkommenheit des zukünftigen Zeitalters verwechseln. Die Ärzte können den Tod nicht besiegen, können ihn als Werkzeuge der allgemeinen Gnade Gottes jedoch hinauszögern. Die Diakone sind der Gemeinde gegeben, damit sie sich um die zeitlichen Bedürfnisse der Heiligen kümmern. Der Dienst am Wort, die Sakramente und die Kirchenzucht lassen allen geistlichen Segen in Christus zuteil werden. Wir können unserem Mitmenschen helfen, sein Dach auszubessern, auch wenn Atheist ist; vor der Gefahr drohender Armut dagegen können wir ihn nicht bewahren. Das ist die Bedeutung des »Salzseins«: Das Salz konserviert die Dinge, damit sie nicht so schnell verderben, wie das ohne Salz der Fall wäre. Die Erlösung, die Christus uns errungen hat, geht nicht bei unserem Tode mit uns »in den Himmel«. Sie hat nicht nur die Rettung der Seele im Blick. Am Ende des Zeitalters werden wir leiblich auferweckt werden, und mit uns die gesamte Schöpfung im Gefolge Christi (Röm 8,19–21). Das aber ist der Wiederkunft Christi vorbehalten: »Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit standhaftem Ausharren« (V. 25).
Quelle: hier
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Beitrag von Servant »

Hallo Joschie,
McLaren zufolge bedeutet »missional«, Buddhisten, Moslems und Juden zu ermutigen, bessere Buddhisten, Moslems und Juden zu sein und so dem Beispiel Jesu zu folgen. Nicht unsere Verkündigung, unser Leben verändere die Welt. McLaren schreibt: »Jesus ist der Erlöser – das bedeutet, dass sich Gott in Jesus als Retter auf all diesen Wegen einsetzt
Ein Clip zum Thema: McLaren Hier Anschauen

es hat sich sicher nicht nur hier das Denken in den Köpfen eingepflanzt das keine Religion mehr von sich behaupten darf die Alleinige Wahrheit zu Verkündigen, oder das alle im Grunde den selben Gott verehren - ein universaler Christus in dem letztlich alle Erlösung finden. Es ist sicher auch nicht Verwunderlich das derart Irrtum sich so stark ausbreiten konnte - schließlich wurden diese Gedanken ja über Jahrzehnte direkt, oder indirekt von so manchen Theologen gelehrt und vertreten - es ist aber auch deshalb möglich geworden, da sich viele Christen sich ihrer eigenen Verantwortung, dem Wort Gottes Treu zu sein und solche Lehren nicht zu dulden - entzogen haben. Man kann diesen Irrtum natürlich in allen erdenklichen Lehren Verpacken, ob nun Ökumenisch, Emergent, Reformiert, oder halt in einem neuem Look and feel.

Da werden sicher noch ein paar neue Modelle aufwarten ...

Liebe Grüße,
Servant

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Horton: Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum? (Teil 3)

»Zur Kirche gehen« oder »Kirche sein«?

Wenn wir Reich Gottes bauen, indem wir »Evangelium leben«, dann hat es durchaus Sinn, nicht länger zur Kirche zu gehen. Dann könnten wir unser Jüngersein vor Ort leben oder in nachbarschaftlichen Hilfsprojekte investieren. Willard merkt dazu an: »Es ist ein tragischer Fehler, zu denken, Jesus habe uns kurz vor seiner Himmelfahrt sagen wollen, wir sollten – nach modernem Verständnis – Gemeinden gründen … Er wollte vielmehr, dass wir ›Brückenköpfe‹ oder Operationsbasen für das Reich Gottes bauen, wo immer wir auch sind … Die äußerlichen Auswirkungen eines Lebens in Christus bedeuten eine andauernde, moralische Revolution, die solange geht, bis der Plan mit der Menschheit auf Erden vollendet ist.« Die Frage an echte Jünger muss daher lauten: »Werdet ihr eure Kirchen verlassen, um zu seiner Gemeinde zu werden?«

Kimball drückt es ähnlich aus: »Wir können nicht ›zur Kirche gehen‹, wir sind die Kirche.« Von hier aus zieht Kimball die bekannte Grenzlinie zwischen Evangelisation (Mission) und den Kennzeichen der Gemeinde (Gnadenmittel). Kimball hält die Entwicklung seit der Reformation für falsch:

In ihrem Bemühen, der Bibel zu ihrem Recht zu verhelfen und die gesunde Lehre aufzurichten, definierten die Reformatoren die Kennzeichen einer echten Kirche: Sie ist der Ort, an dem das Evangelium verkündet werden soll, die Sakramente richtig ausgeteilt und die Kirchenzucht ausgeübt werden soll. Diese Kennzeichen haben die Definition von Kirche allerdings im Laufe der Zeit immer mehr verengt: Die Kirche ist jetzt ein »Ort« [an dem sich Leute treffen] und keine »Daseinswirklichkeit« mehr. Der Begriff »Kirche« lässt nun an einen »Ort« denken, »an dem ganz bestimmte Dinge ausgeübt werden« wie predigen und Abendmahl halten.

Ironischerweise wird das Verständnis von Kirche als »›Ort, an dem ganz bestimmte Dinge ausgeübt werden‹ wie predigen und Abendmahl halten« von solchen Autoren dem missionarischen Aspekt gegenübergestellt, obgleich Jesus diese Gnadenmittel selbst als Missionsbefehl eingesetzt hat.
Die Verlagerung von der Evangeliumsverkündigung hin zum Gespräch über das Evangelium als weltveränderndem Werkzeug der Gemeinschaft tritt in den Versammlungen klar zutage. Jones spricht über Jacob’s Well, einer wegweisenden Gemeinschaft der Emerging Church in Kansas-City: »Die Gemeinde hat das klassisch-presbyterianische Heiligtum mit den gebeizten Kirchenbänken und der Chorbühne um die erforderlichen Bildschirme ergänzt und die Kanzel durch eine Musikkapelle ersetzt. Die Redner stehen nicht länger auf der Bühne – die gehört nur mehr den Musikern« (meine Hervorhebung). (Man fragt sich, wovon genau sich diese Gemeinde von den Megakirchen unterscheidet?) Bei den Versammlungen der vorwiegend weißen Zuhörerschaft steht auf einer Seite ein Tisch, auf dem sich ein Zitat des derzeitigen anabaptistischen Theologen John Howard Yoder befindet: »Die sichtbare Kirche ist nicht die Überbringerin der christlichen Botschaft, sie selbst ist die Botschaft.«

Auch Jones’ eigene Gemeinde in Minneapolis (Solomon’s Porch, geleitet von Doug Pagitt) geht vom herkömmlichen Gottesdienst zum Gespräch über: »Es geht darum, das Predigtwesen über Bord zu werfen, das den Protestantismus fünfhundert Jahre lang beherrscht hat«, erklärt er. »Die Predigt wird hier dekonstruiert, auf den Kopf gestellt. Die Bibel gilt uns als ,Mitglied der Gemeinschaft‘, mit dem wir im Gespräch stehen; die gemeinschaftliche Auslegung einer Bibelstelle sprudelt nur so aus dem Leben der Gemeinschaft.« Brot, Traubensaft und Wein werden in einer »lauten Partyatmosphäre angeboten; daneben gibt es noch einen stillen Raum zur Meditation.«

[Aber] dieser Teil des Gottesdienstes steht nicht unter irgend jemandes Leitung … Das Abendmahl wird von verschiedenen Leuten eingeleitet – die eine Woche mit einem Gedicht, ein andermal mit einem Zeugniss über »das, was das Herrenmahl mir bedeutet« und die Woche darauf mit den traditionellen »Einsetzungsworten« aus dem allgemeinen Gebetsbuch. [Danach] setzen wir uns, um die Ankündigungen zu hören. Die Kinder kämpfen inzwischen um die letzten Krümel »Abendmahlsbrot«, meistens Zimtkuchen mit Rosinen, Schokoladenkekse oder ein Hartkäsebrot mit Jalapeño.[Es ist ein ziemliches Durcheinander], aber echter Gottesdienst ist eben eine chaotische Sache. Daraus mache ich keinen Hehl. Es soll gar nicht »anständig und ordentlich« zugehen, sondern chaotisch und nur mit einem Anschein von Ordnung, dafür aber mit großer Freude.

Das ist nun freilich alles nicht neu: Der Pietismus ordnete die Kennzeichen der Kirche, wie sie im Missionsbefehl unseres Herrn definiert sind (Predigt, Sakrament und Kirchenzucht) einer ganzen Reihe geistlicher Disziplinen unter, die Jesus nicht angeordnet hatte; einige Erweckungsbewegungen haben dieser Entwicklung noch Vorschub geleistet. Charles Finney, der berühmt-berüchtigte Erweckungsprediger der »Zweiten großen Erweckungsbewegung«, schrieb, der Missionsbefehl laute einfach: »Geht hin … Wir unterliegen hier keinen bestimmten Vorgehensweisen; es wird keine besondere Form verlangt … Der Auftrag [an die Jünger] lautete einfach, das Evangelium auf die effektivste Weise bekannt zu machen … und dadurch Aufmerksamkeit zu erregen und den Gehorsam einer möglichst großen Zahl von Menschen zu sichern. Niemand kann der Bibel irgendwelche Methoden entnehmen.« Das scheint eine doch recht eigenwillige Auslegung zu sein, da der Missionsbefehl die »Methoden« ganz genau angibt – sie finden sich gleich nach der Aufforderung: »Gehet hin!« Nichtsdestoweniger kam es zu jenen praktischen Ergebnissen der anthropozentrischen Theologie Finneys. Derzufolge ist die Kirche nicht Gottes »Botschaft«, der der Dienst am Wort und die Sakramente anvertraut sind, sondern »eine Gesellschaft von Moralreformern«. Wie Finney brauchen die Erwecker keine besondere Ausbildung für ihre Berufung, da es ja mehr die Taten als die Glaubensbekenntnisse sind, die den Auftrag der Kirche in der Welt vorantreiben. Eine ziemlich »chaotisches« Bestreben, in der Tat. Der katholische Historiker Garry Wills schreibt:

Die Versammlung im Feld setzte den Maßstab für die Qualifizierung zum Dienst: Die Prediger wurden durch den Beifall der Menge bestätigt. Institutionelle Qualifikationen, Reinheit der Lehre und persönliche Ausbildung wurden nicht gebraucht – tatsächlich mussten einige gelehrte Diener Unwissenheit vorspielen. Der Diener wurde von den Laien ordiniert, von den Leuten also, die er bekehrt hatte … Der »do-it-yourself«-Glaube verlangte nach einem »do-it-yourself«-Gottesdienst.

Wills zeigt die Verbindung zwischen Botschaft und Methode auf: Statt Evangelium Christi heißt es nun »gute Werke« – das führt logischerweise zur Erniedrigung der Gnadenmittel Gottes zugunsten einer Methodik innerer oder gesellschaftlicher Wandlung.

Fügen wir die Teile zusammen, dann zeigt sich folgendes: Wie das neue Mönchtum das Evangelium ins Gesetz verwandelt und nicht weiter »zur Kirche geht«, sondern »Kirche ist«, so macht sie aus der versammelten Gemeinde eine versprengte Gemeinde. Oder um eine hilfreiche Kategorie Abraham Kuypers zu bemühen: Die Kirche als Institution verschwindet zugunsten »organischer« Gemeinden. Die Christen sind in dieser Welt zu vielerlei aufgerufen: Sie sollen Eltern, Berufstätige, Bürger, Freunde und Nachbarn sein. Wie alle Menschen, die nach Gottes Bild geschaffen sind, so sind auch die Gläubigen zum Gehorsam gegenüber dem Gebot aufgerufen: Liebe Gott und deinen Nächsten! Die Kirche als Gottes offizielle Botschaft der Gnade jedoch ruft die Menschen von überallher zum Fest. Um eine andere Metapher zu gebrauchen: Die versammelte Gemeinde dient den Einzelnen als »Versalzungsort«; so können wiedergeborene Sünder, die die Vergebung erlangt haben, jede Woche neu als Salz in die Welt »gestreut« werden. Ohne Wort und Sakrament verliert das Salz seine Kraft und ist zu nichts mehr nütze, als dass man es ausschüttet, damit es zertrampelt werde.
Quelle: hier
Gruß und Segen von Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Beitrag von Joschie »

Horton: Missionale Gemeinde oder neues Mönchtum? (Teil 4 – Schluss)

Die neue Reformation

Wie reagieren wir heute auf den Missionsbefehl? Dazu bedarf es eines richtigen Verständnisses von Jüngerschaft. Paulus sagt, die Werksgerechtigkeit sei der wertlose Versuch, sich den Himmel zu erkaufen. Einzig die Gerechtigkeit aus dem Glauben erlangt Christus – und dies durch das verkündigte Wort: Es gilt, Botschafter an Christi Statt zu sein (Röm 10,5–16). Der Glaube kommt nicht aus den Werken, sondern die Werke aus dem Glauben, und der »kommt durch die Verkündigung, die Verkündigung aber durch das Wort Gottes« (V. 17).

Jünger ist zuerst und zunächst, wer den Indikativ freudig vernimmt und annimmt, von dem ich schon gesprochen habe. Wie Maria Magdalena lauscht er jedem Wort aus dem Munde seines Erlösers und lässt alles fallen, wenn er etwas von ihm lernen kann – und dann, als Mensch, dem vergeben ist, als wiedergeborenes Geschöpf bezeugt er in Liebe [was er gehört] und erweist den Menschen seine guten Werke.

Die Reformation ist ein gutes Beispiel für die Herausforderung des Mönchtums. Ob der Mönch nun die Leiter geistlicher Übungen oder guter Werke nach oben kletterte – immer erschien er den Menschen als Heiligkeitsakrobat, der seine Künste dem Rest der Gläubigen darbot, die im unteren Bereich der weltlichen Arbeit und des Familienlebens beschäftigt waren.

Die Reformation räumte mit diesem Muster auf, indem sie zunächst feststellte: Die Erlösung ist von Anfang bis zum Ende das Werk Gottes für uns, nicht unser Werk für Gott. Wir können in keiner Weise zur vollkommenen Gerechtigkeit Christi beitragen. Gott kann weder durch aufsehenerregende noch durch ehrenvolle Werke zufriedengestellt werden. Zweitens wiesen die Reformatoren darauf hin, dass das Erlösungswerk Christi für mich noch nichts für meinen Nächsten bewirkt – das zielt in Richtung Mönche: wie beflissen waren sie doch in ihren Werken, die niemandem nützten! Sind Sie gerechtfertigt, dann gibt es keinen anderen Ort für Ihre guten Werke als den, an dem Ihr Nächster steht. Gott braucht Ihre guten Werke nicht, wie Luther so treffend gesagt hat, sehr wohl aber Ihr Nächster. Drittens: Alle Christen sind Heilige, und daher gleichermaßen gerechtfertigt und erneuert. Sie unterliegen allesamt der selben Pflicht zum Wachstum in der Beziehung mit Gott und zur Liebe und zum Dienst am Nächsten.

Deshalb übersetzten die Reformatoren die Bibel aus den Originalsprachen in die Alltagssprache der Menschen. Sie schrieben Andachtsbücher, Gebete, Liturgien, Katechismen, Psalter und Lieder, die nicht nur in der Kirche gesungen werden konnten, sondern auch um den Mittagstisch. Darum auch werden Neubekehrte in Glaubensfragen unterrichtet und ermutigt bzw. bestärkt, in ihren weltlichen Berufen »Salz und Licht« zu sein. Die Auswirkung einer solchen Arbeitsethik auf die Qualität des Handwerks, die Medizin, das Rechtswesen, die Politik, die Gesellschaft, das Familienleben und auf die Künste ist geschichtlich bestens bezeugt. Die Annahme, die reformierte Theologie ermutige zur Passivität aus Angst, nicht mit den göttlichen Absichten »zusammenarbeiten« zu können (wie Jones gemeint hat), ist weder historisch noch theologisch begründbar. Wir arbeiten insofern mit Gott zusammen, als wir in seiner allgemeinen und seiner rettenden Gnade tätig sind. Zu seinem Erlösungswerk können wir nichts beitragen. Die Erlösung ist vollbracht. Diesen Sieg müssen wir nun verkündigen, nicht ihn uns erringen.

Jünger sind zunächst Lernende. Sie gleichen Maria, die »das bessere Teil« erwählte, indem sie zu Füßen Jesu saß, um sich belehren zu lassen, während Martha »sich mit der Bedienung viel zu schaffen machte«. Wem viel vergeben ist, der liebt auch viel. Angesichts Gottes Barmherzigkeit wird die Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten zum »vernünftigen Gottesdienst« (Röm 12,1–2). Und da die Erde »samt allem, was in ihr ist« (Ps 24,1) durch die Schöpfung und Erlösung des Herrn ist, können wir unsere fieberhaften Bestrebungen aufgeben, denn wir sind befreit zur Liebe und zum Dienst gerade an den »Nächsten«, die Gott liebt und uns jeden Tag über den Weg laufen lässt. Die frohe Botschaft selbst ist nicht mit der Prägung zu verwechseln, die wir der Welt verpassen; die frohe Botschaft ist die Prägung, die Gott uns durch die Taufe schenkt. Da die »Rettung vom Herrn kommt« (Jona 2,10), sind wir dazu befreit, aktiv an dieser Welt teilzunehmen und unsere Nächsten zu lieben, da sie Sünder sind wie wir und unserer guten Werke und der frohen Botschaft dringend bedürfen.
Quelle: hier
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Gruß Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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